Sommermuffel (manchmal)

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Ich hasse den Sommer. Meistens. Sonne und Hitze erscheinen mir immer wie ein falsches Versprechen, als würde jemand deinen Kopf streicheln und sagen, dass alles gut wird und mit Zikaden und Sonnenuntergängen am Strand endet. Aber das stimmt nicht, Winter kommt für uns alle und jeder Mensch wird sterben. Und seit über drei Wochen schlägt uns der Sommer in der Stadt hart auf den Hinterkopf – morgens früh ist es schon über 20 Grad, und den Rest des Tages sitzt die Hitze wie ein fetter schwitzender Hooligan auf Allenstein/Olsztyn. Ich beneide diejenigen, die zu den Stränden von Okull/Ukiel und den anderen Seen fahren können. Meine düstere Stimmung könnte auch durch die Nachrichten kommen, die ich gestern Morgen beim Frühstückstee in meiner Küche gelesen habe. In Deutschland hat ein Neonazi einen CDU-Politiker erschossen, die britische Tory-Partei wird wahrscheinlich einen unfähigen Trottel zum Premierminister wählen und weiter kopflos auf den Brexit zutrudeln, und die EU konnte sich nicht auf Klimaziele bis 2050 einigen, da Polen, Ungarn, Estland und die Tschechische Republik sich weigern, diese zu unterstützen.

Aber dann fiel mir auch ein, dass der 21. Juni der längste Tag des Jahres ist und die Menschen ihn seit langer Zeit feiern. In ganz Europa gibt es unzählige Mittsommertraditionen, angefangen von den Freudenfeuern der irischen Sommersonnenwende über ähnliche Festen in Finnland und Schweden, bei denen Mädchen und junge Frauen sich Blumengirlanden in die Haare flechten, bis hin zu den polnischen Traditionen von Noc Świętojańska vor dem Johannistag am 23. Juni oder der Noc Kupały am 6. Juli, ein ehemaliger heidnischer Fruchtbarkeitsritus. Die meisten Menschen scheinen den Sommer also zu feiern. Also habe ich mich dann abends, nachdem eine kurze Regenschauer die Straßen und die Menschen abgekühlt hatte, wieder in die Stadt aufgemacht um meine persönliche Sommersonnenwende zu finden. Ich lief nach Norden, zwischen der alten preußischen Kaserne und dem Friedhof entlang in eines der vielen Täler, die zur Alle/Łyna führten und wo ich zwei nette Katzen traf, die sich bereitwillig streicheln liessen. Über die Aleja Wojska Polskiego erreichte ich die Gassen hinter der massiven Franziskanerkirche Christ des Königs, die in den 20er Jahren erbaut wurde, und machte dann eine Schleife zurück Richtung Altstadt über den Bema-Platz. Überall genossen die Leute die klare Luft nach dem Regen, Kinder spielten auf dem Spielplatz neben der Kirche, Männer saßen in dem kleinen Restaurant in der Nachbarschaft und tranken ein Bier, andere saßen vor ihren Häusern und plauderten und gestikulierten.

Als die Nacht langsam hereinbrach, ist mir dann doch klar geworden, dass der Sommer vielleicht ein paar Vorteile hat: Meine Lieblingswasserspeier auf dem Turm der Herz-Jesu-Kirche sahen im Licht der Dämmerung besonders eindrucksvoll aus, und die vielen Mauersegler, die über die Häuser schossen, füllten den Abend mit ihren schrillen Rufen und erinnerten mich an anderen Sommernächte; an kaltes Bier auf den Straßen von Belgrad oder Sofia, während über mir die Mauersegler und die Fledermäuse jagten. Also gab ich nach und prostete dem Schloss und dem Sommer mit einem Bier von der Terrasse des Valhalla Pubs zu. Dann schickte mir jemand ein Bild von der Fridays for Future Protesten in Aachen, wo über 20.000 Menschen für eine bessere Klimapolitik protestieren, und während ich keine Lagerfeuer oder heidnischen Feiern auf den Straßen von Allenstein/Olsztyn gefunden hatte, sah ich dann doch drei junge Frauen mit Blumen im Haar die Stufen zum Mięta-Nachtclub hinuntersteigen, als ich nach Hause ging. Vielleicht gibt es ja doch Hoffnung für uns.

I Hate Summer (Sometimes)

I don’t like summer. I never did. The sun and the heat to me seem like a false promise, like someone stroking your hair saying there there, it’s all going to end well in sunlight and with cicadas and sunsets on the beach. Yet it is not, winter is coming for us and everyone is going to die. And now the summer has been hitting us in Olsztyn over the head with a stick for over three weeks – even in the mornings it is over 20 degrees and it reaches 27 or 28 degrees, and most days the heat is sitting on Olsztyn like a fat sweating hooligan. I envy those heading to the beaches at Ukiel and the other lakes. My gloomy mood might be influenced by the news I read yesterday morning while having my tea in my kitchen in Olsztyn. In Germany a Neo-Nazi has shot a politician; the Tory party in the UK is probably going to elect a man as prime minister who calls gay men ‚bum boys‘; the other bumbling idiot in the US is probably starting a war with Iran; the EU could not agree on a climate change targets by 2050 as Poland, Hungary, Estonia and the Czech Republic refused to support these.

But then I also remembered that June 21st is the longest day of the year, and that humans have been celebrating it for a long long time. There are countless midsummer traditions all across Europe, from the bonfires of Ireland’s summer solstice traditions to similar celebrations in Finland and Sweden where girls and young women braid flower garlands into their hair to the two related Polish traditions of Noc Świętojańska or St. John’s Night on June 23 or the Noc Kupały on July 6, a former Pagan fertility rite. So there is a certain appeal to summer for others people. So in an attempt of curing my gloominess, I walked around town in the evening, after a short shower had cooled down the streets and the people, to find my own personal summer solstice. I circled up north between the old Prussian barracks and the cemetery, then down into one of the many valleys leading towards the Lyna and emerged on Aleja Wojska Polskiego. Then I looped back through the alleys behind the massive Franciscan Church of Christ the King built in the 1920s and on towards Plac Bema. Everywhere people were enjoying the clear air after the rain, children played in the playground next to the church, men were sitting in the small neighbourhood restaurant having a beer, others sitting in front of their houses chatting and gesticulating with the neighbours.

As night slowly fell I somewhat arranged myself with summer: my favourite gargoyles on the spire of the Church of the Sacred Heart looked especially gorgeous in the light of dusk, and the many swifts hunting over the houses filled the evening with their sharp calls and reminded me of other summer nights I had enjoyed before, sitting on the streets of Belgrade or Sofia while they hunted above me. And so I gave in, and toasted the castle with a beer from outside the Valhalla Pub. Checking the news again on my phone I found a picture of 20,000 people protesting for the Fridays for Future in Aachen in west Germany, and while I did not see any bonfires or pagan celebrations on the streets of Olsztyn, I did see three young women with flowers braided into their hair walking down the steps to the Mięta night club when I walked home. There might be hope for us yet.

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