Bring mich an einen guten Ort

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,Und so tauschte ich roten Backstein, das Meer und die Berge gegen roten Backstein, Felder, Seen und Flüsse. Von meinem Backstein-Haus aus dem Jahre 1875 in der alten Grenzstadt Dundalk, die zum Schutz des „Pale“, des Besitzes der normannischen und englischen Herrscher an Irlands Ostküste, vor den wilden Ulster-Iren erbaut worden war, machte ich mich auf den Weg durch die Hügel der Grafschaften Armagh und Down zum Belfast International Flughafen, von wo aus mein Flugzeug in einer Kurve über das Blau des Lough Neagh aufstieg und die Küste der Grafschaft Antrim in Richtung Schottland überquerte. Meine irische Lieblingsinsel Rathlin war das letzte, was ich von der grünen Insel sah, bevor der braune Klumpen des Mull of Kintyre sich ins Bild schob.

Dann weiter über die Nordsee, Dänemark und die Ostsee, bis der Landeanflug uns nach Danzig/Gdańsk hinab brachte und mir einen kurzen Blick auf das helle Blau des Frischen Haffs ermöglichte. Von Danzig/Gdańsk aus zuckelte dann der kleine Zug der polnischen Eisenbahnlinie PKP, der aus nur drei Waggons bestand, durch die Rapsfelder Pommerns und über die alte Grenze nach Ostpreußen bei Dirschau/Tczew, über die Weichsel auf der Eisenbahnbrücke von 1888. Die beeindruckende Marienburg konnte ich nur kurz aus der Bahn betrachten als eine buntgekleidete Gruppe japanischer Touristen ausstieg, und danach ging es weiter in die hügeligen Felder und Wälder Ermlands in der Sonne, bevor er schließlich mein Zug in Olsztyn Zachodni, dem Westbahnhof von Allenstein, anhielt.

Jetzt sitze ich in meiner Wohnung in der Altstadt von Allenstein/Olsztyn, einer Wohnung, die auf das alte Stadttor aus dem 14. Jahrhundert blickt, das Wysoka Brama. In den nächsten Monaten werde ich hier der offizielle Stadtschreiber sein und über mich in der Stadt und meine Außenseiter-Sicht auf die Stadt selber reflektieren, über die Menschen, die Flüsse und Seen, die Geschichte der Stadt – die direkt mit der Geschichte meiner Familie zusammenhängt. Für mein Buch Von Ostpreußen in den Gulag, welches die Geschichte meiner Großmutter Cilly erzählt, die in Lengainen/Łęgajny wenige Kilometer außerhalb von Allenstein/Olsztyn geboren wurde, habe ich meinen Eindruck der Stadt aufgezeichnet, als ich 2012 zum ersten Mal hierher kam:

Als ich aus dem Zug von Gdańsk nach Olsztyn steige, wünschte ich fast, es wäre Winter. Im Zug selbst war es noch angenehm gewesen, da frische Luft durch das halb geöffnete Fenster meines Abteils wehte, aber am Bahnsteig in Olsztyn erwartet mich eine schwüle Julihitze, in der mir das Atmen schwerfällt. Es ist 32 Grad, kein Lüftchen regt sich, und ich habe beschlossen, meine Taschen durch die Innenstadt bis zum Hotel zu tragen. Ich könnte ein Taxi nehmen, aber ich traue mir mit meinem spärlichen polnischen Wortschatz nicht zu, mein Ziel benennen zu können, daher verlege ich mich aufs Laufen. Der postmoderne Beton des Hauptbahnhofs und der rissige Asphalt davor lassen nicht darauf schließen, dass ich mich in einer mittelalterlich geprägten Stadt befinde; es scheint bloß eine weitere, kleine Provinzstadt irgendwo in Polen zu sein. Überall sieht man Plattenbauten, die bevorzugten Wohnblocks der Länder des Warschauer Pakts, hin und wieder ein paar alte Busse und ausgedörrte Parks zwischendrin. Es stinkt nach Autoabgasen.

Ich habe meine Ansichten über die Stadt seitdem geändert, und habe das grüne Tal des Łyna-Flusses, die Altstadt – die im Sommer immer sehr geschäftig ist – und die manchmal rauhe, aber immer herzliche Natur der Menschen hier zu schätzen gelernt. Ich freue mich angekommen zu sein und in den nächsten Wochen und Monaten mehr über Allenstein/Olsztyn und mich zu erfahren. Roter Backstein ist roter Backstein.

Take Me Somewhere Nice

And so I swapped red brick, the sea and the mountains for red brick, fields, lakes and rivers. From my red brick house from 1875 in the old Norman frontier town of Dundalk, fortified to protect the Pale from the wild Ulster Irish, I made my way up North through the drumlin foothills of Armagh and Down to Belfast International, from where my plane ascended, making a turn over the blue waters of Lough Neagh and then crossing the Antrim Coast towards Scotland, my favourite Irish island Rathlin the last thing seen before the brown lump of the Mull of Kintyre came into view. Over the North Sea proper then, Denmark and the Baltic, finally swooping down into Gdańsk with the Vistula Lagoon glimpsed during the descent. From Gdańsk the small PKP train, consisting of just three carriages, jogged through the rape fields of Pomerania, and then across the old border to East Prussia at Tczew and across the River Vistula on the railway bridge from 1888; intimidating Malbork castle just glimpsed from the station as a colourful group of Japanese tourists left the train, and then into the rolling fields and woods of Warmia under the sun, before finally stepping from the train at Olsztyn Zachodni, the West Station.

Now I sit in my apartment in the old town of Olsztyn, or Allenstein as the Germans called and call it, an apartment which looks out over the old town gate from the 14th century, the Wysoka Brama. For the next few months I will be the official writer in residence here, recording myself in the town and my outsider view of the town itself; its people, its river and lakes, its history – which is linked to the history of my family. For my book Babushka’s Journey, which tells the story of my grandmother Cilly who was born in Lengainen (Lęgajny today) a few kilometres outside of Olsztyn, I recorded my first impression of the city when I arrived here for the first time in 2012:

As I step from the Gdansk-Olsztyn train, I almost wish it was winter. While the train had been nice and airy, with the wind blowing through the half-open window in my compartment, stepping out into the festering August heat in Olzstyn is like a slap in the face. It’s 32 degrees Celsius, there’s no wind, and I have decided to carry my bags through town to my hotel. I could take a taxi, but I don’t trust my tiny supply of Polish words to get me there, so I resort to walking. The post-modern concrete of the central station and the cracked asphalt in front of it does not suggest I am in a medieval city at all, merely another small provincial town somewhere in Poland. Prefabricated concrete high-rises, the preferred tenement buildings of the Warsaw Pact, are everywhere, with a few old buses and small dried-out parks thrown in. It smells of exhaust fumes.

I’ve changed my opinion of the city since then, and learned to appreciate the leafy valley of the Łyna river, the old town – always busy in summer – and the sometimes rough but always welcoming nature of the people here. I’m excited to have arrived, and to find out more about Olsztyn and myself in the coming weeks and months. Red brick is red brick.

4 Gedanken zu „Bring mich an einen guten Ort“

  1. You have overlooked a very important „element” on this picture, i.e. the image of the Holly Mary witch is the man point of „High Gate”. Greetings, and good luck.

  2. Ich bin jetzt schon ein paar Jahre hier in Olsztyn und konnte in der Zeit gut beobachten, wie die Stadt immer schöner wurde, wie immer neue Ecken für die Menschen hergerichtet wurden. Ich stimme da gerne zu: Ich bin auch von der Stadt begeistert!

  3. Was bin ich als Kind durch die Brama gelaufen oder der Straßenbahn gefahren. Bin in Deuthen (Dajtki )
    gebohren. Schöne Erinnerungen……

    1. In meiner Kindheit standen vor der Wysoka Brama bunt gekleidete Zigeunerinnen, die den Vorbeigehenden ihre Dienste im Wahrsagen angeboten und meine Phantasie anregten… 🙂

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